In Hamburg gibt es viele Gebäude oder Orte mit jüdischer Vorgeschichte. Diese jüdische Vorgeschichte sieht man den Häusern oder Orten natürlich nicht unbedingt an, deshalb dachte ich mir, wäre es vielleicht ganz interessant für euch mal zu erfahren, was in Hamburg alles einen jüdischen Ursprung hat oder sonst irgendwie mit dem jüdischen Hamburg in Kontakt steht.
Dem ersten Beitrag sollen weitere Folgen. Heute Teil Eins. Viel Spaß!



Das Alsterhaus:

Ich glaube für viele ist das hier schon die erste Überraschung.
Das Alsterhaus, mitten im Shopping-Viertel von Hamburg, am Jungfernstieg und direkt an der Binnenalster, ist nicht frei von jüdischer Geschichte.
Der Gründer des Kaufhauses Tietz bzw. des Warenhaus‘ Hermann Tietz, so der ursprüngliche Name vom Alsterhaus, war ein Jude.
Das Alsterhaus stand immer schon, wie heute auch, für gehobenes Einkaufsniveau. Und auch damals schon gehörte es zu Hamburg wie der Michel oder der Fischmarkt.
1912 von Oscar Tietz ins Leben gerufen, hatte das Alsterhaus auch früher schon den Anspruch, ausschließlich hochwertige Produkte und Delikatessen zu vertreiben.

1933 dann, mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten, änderte sich auch für das Kaufhaus „Tietz“, wie für so viele Kaufhäuser mit jüdischem Besitzer zu dieser Zeit, die Verhältnisse drastisch. Das Handelsunternehmen Hermann Tietz & Co bekam, anders als zuvor vereinbart, keine neuen Kredite mehr, die aufgrund der Weltwirtschaftskrise nötig gewesen wären um das Kaufhaus aufrechterhalten zu können. Sie waren infolgedessen gezwungen das Gebäude zu verkaufen.
1935 wurde aus dem „Kaufhaus Tietz“ dann das „Alsterhaus“.

Die Familie Tietz versuchte nach dem Krieg vergebens das Gebäude zurück zu bekommen.

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Das Alsterhaus heute.
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Kaufhaus Tietz um 1930. Das Foto ist der Website vom Alsterhaus entnommen.
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Kaufhaus Tietz von innen. Ich bin leider unschlüssig ob es sich dabei wirklich um das Kaufhaus Tietz handelt. Ich konnte keine 100% sichere Quelle finden.

 

Modehaus Hirschfeld:
Spuren des ehemaligen Kaufhauses in der Hamburger City, nahe dem Rathaus, in der Straße „Neuer Wall“, sind heute kaum bis gar nicht mehr zu finden. Einzig allein eine kleine Tafel, angebracht an dem Gebäude in dem das Modehaus einst seinen Sitz hatte, ist dort angebracht.
Gegründet wurde das Kaufhaus 1892 von den Brüdern Isidor, Benno und Joseph Hirschfeld. Bald schon liefen die Geschäfte so gut, dass weitere Modehäuser in anderen deutschen Städten eröffnet werden konnten.

Nach den Verwüstungen in der Pogromnacht 1938, von denen auch das Modehaus nicht verschont blieb, kam es auch hier nach 1938, wie auch schon beim Alsterhaus, zur eigentlich ungerechtfertigten Enteignung des Hauses.
1938 wurde das Gebäude für einen Preis, weitaus weniger als der eigentliche Wert, von Benno Hirschfeld verkauft.

Benno Hirschfeld starb im KZ Buchenwald. Sein, Kurt Manfred, starb im KZ Neuengamme.

Ausführliche Informationen zu den Brüdern und dem Modehaus findet ihr unter folgendem Link: http://stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=4576

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Modehaus Hirschfeld
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…und so sieht es dort heute aus. Ganz rechts, über dem Regenschirm der Person ist eine kleine Tafel zu erkennen.
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Gedenktafel

 

Neanderstr/Judenbörse

In der Neanderstr, ehemals Elbstraße, existierte mal, die ganze Straße entlang, die sogenannte Judenbörse. Eine Mischung aus Wochenmarkt und Flohmarkt, von Juden für Juden und doch für alle offen.
Täglich konnten Hamburger hier alles mögliche erwerben. Lebensmittel, Kleidung und Trödel. Viele der Juden die hier ihre Waren verkauften, wohnten auch ganz in der Nähe. Oftmals hatten viele von ihnen ihren Verkaufsstand direkt vor der eigenen Haustür.

Im Laufe der Jahre nahm der Verkehr in der Hansestadt aber immer mehr zu und ein täglicher Markt auf einer befahrenen Straße war irgendwann nicht mehr möglich. 1925 wurde die Judenbörse verboten.

Man findet Online viele wirklich tolle Bilder die die Judenbörse zeigen.

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Elbstr/Judenbörse
Sog. "Judenbörse" Kleinhandel jüdischer Kaufleute
Elbstr/Judenbörse
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Neanderstr/Ehemals Elbstr.
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Neanderstr/Ehemals Elbstr.
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Neanderstr/Ehemals Elbstr.
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Hinweistafel

An dem Tag an dem ich mich auf den Weg gemacht habe um mir die Neanderstr einmal anzuschauen, regnete es wie aus Eimern. Genau mein Wetter. Und das meine ich nicht mal zynisch. Ich komme also, dank Google Maps dort an und schlender im Regen ein wenig die Straße entlang. 1-2 hübsche, historisch aussehende Gebäude sind mir dabei schon aufgefallen. Ansonsten aber nichts weiter.
Nun schaue ich in einem Moment nach Links, durch ein Tor und habe plötzlich das Gefühl in einer ganz anderen Welt zu sein.
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Ein Hinterhof, oder besser gesagt ein ganzer Häuserblock wie aus einer anderen Zeit. Mir steht der Mund offen und strahlend betrete ich den Hinterhof. Ich habe vorerst keine Ahnung wo ich hier bin. Und kurz ist auch die Judenbörse, der eigentliche Grund meines Besuchs, vergessen.

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Hier stehen viele, viele Häuser, die alle den Häusern des ehemaligen hamburger Gängeviertels nachempfunden sind. Alles Neubauten, aber alle im Stil ehemaliger Fachwerkgebäude. Wunderschön.
Toll verzierte Häuser, Straßenlaternen, verzierte Türklinken und so weiter.
Auch das Brahms-Museum ist hier untergebracht. Der berühmte Komponist der in dieser Gegend geboren wurde.
Auch wenn die Elbstraße so nie aussah und die Gegend damit historisch nicht korrekt ist, habe ich mich schlagartig verliebt. Die Gegend ist definitiv ein Besuch wert.

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Ganz in der Nähe befindet sich übrigens auch ein ehemaliges Gefängnis, das sogenannte „Hütten“. Dieses Gefängnis wurde Zeitweise auch von der NSDAP genutzt. Unter anderen waren hier politische Gegner und Juden kurz vor der Deportation inhaftiert.

Mehr dazu aber zu einem späteren Zeitpunkt.


Kontakt: zeugenderzeit@outlook.com

Quellen:
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13016
http://www.alsterhaus.de/de/nc/das_alsterhaus/unser_haus_historie/
http://www.ndr.de/kultur/geschichte/schauplaetze/Alsterhaus-Warenhaus-mit-bewegter-Geschichte,alsterhaus105.html
http://www.zeit.de/1994/17/legal-enteignet
https://www.welt.de/print-welt/article471410/Ein-duesteres-Kapitel-der-Wirtschaftsgeschichte.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Gebr._Hirschfeld
http://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/%C2%BBjudenb%C3%B6rse%C2%AB
http://www.hamburg.de/oeffentliche-plaetze/4257220/gaengeviertel-peterstrasse/

Bilder:
http://www.bilderbuch-hamburg.de/Fotos/neustadt_kaufhaus_hermann_tietz_historisch_alsterhaus_warenhaus_398302
http://www.alsterhaus.de/de/nc/das_alsterhaus/unser_haus_historie/

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